Sonntag, 27. Januar 2019

Laufschuhe müssen die (Über)Pronation stützen!

AUFGEWÄRMT: Jeder spricht darüber, am (Läufer)Stammtisch oder beim Schuhkauf: „Dieser Schuh ist für dich der beste, weil er deine Überpronation korrigiert und du damit Gelenke und Achillessehne schonst!“. Dank der modernen Sportschuhtechnologie kennt man die genauen biomechanischen Abläufe und Belastungen und kann so einen „idealen“ Laufschuh entwerfen. Wenn das so wäre, wieso gibt es dann noch immer so viele typische Läuferprobleme – Sehnenansätze entzünden, Hüfte und Knie schmerzen, Fersensporn wächst,…der Großteil jener, die regelmäßig laufen, werden mit mehr oder weniger gravierenden Überlastungsschäden am Bewegungsapparat heimgesucht - was läuft da falsch?

Mit dem Laufboom der 70er Jahre begann auch die Suche nach einem geeigneten Trainingswerkzeug, einem optimalen Laufschuh. Erst fand man heraus, dass Laufen eine enorme Belastung für die Knie bedeutete. Große Aufprallbelastungen halten sie auf Dauer nicht aus und die Beschwerden wurden häufiger. Die Schuhindustrie fand das Mittel dagegen: die Dämpfung! Damit wurde die Wucht des Aufpralls reduziert und die Gelenke geschont. Der Laufstil blieb aber derselbe.
Dann fand man aber auch heraus, dass ein zu starkes Einknicken im Sprunggelenk wiederum Probleme im Fußbereich verursachte und die Überpronation wurde als Massenproblem bei Läufern geboren. Und die Schuhindustrie hatte natürlich sofort wieder die passende Lösung: die Pronationsstütze! Ein stabiler Fuß, der gut geführt und nebenbei auch noch keinen großen Aufprallbelastungen ausgesetzt ist, der kann eigentlich nicht mehr überlastet werden.

Man hat sich aber getäuscht!

Die Häufigkeit der Kniebeschwerden ist in den letzten 30 Jahren zwar etwas zurück gegangen, dafür sind Achillessehnenprobleme deutlich angestiegen. Insgesamt hat die Forschung am Laufschuh keine Reduktion von Beschwerden bewirken können, was aber die eigentliche Motivation gewesen wäre!

Pronation bedeutet das Einknicken im Sprunggelenk nach innen in der Stützphase. Das Gegenteil dazu (das Knicken nach außen) nennt man Supination.
Die Pronation ist eine ganz natürliche Erscheinung und erfüllt wichtige Funktionen beim Gehen und vor allem beim Laufen – sie dient neben der flexiblen Anpassung an den unebenen Untergrund auch als natürliche Dämpfung! Ein Zuviel an Pronation (Überpronation) kann Auswirkungen auf den Bewegungsapparat weit über den Fußbereich hinaus haben. So wird zum Beispiel die Achillessehne innen mehr belastet (höherer Zug). Auch die gesamte Statik verändert sich dadurch und die Auswirkungen können im Knie (Wadenköpfchen), am Schienbein (Schienbeinkantensyndrom) zu sehen sein und sogar ganz unspezifisch in den Rücken wandern.

Die Medizin definiert eine Überpronation ab einem Einknicken von über 6% der Achsenlinien Fersenbein/Wadenbein. Jedoch ändert sich dieser Winkel abhängig von der Laufgeschwindigkeit und kann nicht pauschal als Norm angesehen werden. Was meiner Meinung noch wichtiger ist, jeder Läufer hat eine andere knöcherne Bauweise. X- und O-Beine sind ein Begriff und haben natürlich einen großen Einfluss auf die Pronation. Auch der Laufstil und das Tempo ist entscheidend, wie man mit dem Fuß aufsetzt (vorausgesetzt man kann dementsprechend gut laufen!). Wenn man derartige „Bauweisen“ und individuelle Faktoren unberücksichtig lässt und die Ponation fälschlicher Weise wegstützt, können genauso Probleme entstehen!

Selbst kann man nur schwer beurteilen, welcher Lauftyp man nun ist und welche Laufschuhe mit welcher Unterstützung am besten für einen geeignet sind. Dazu gibt es die Fachgeschäfte für Läufer die professionell den Laufstil analysieren (meist per Videounterstützung) und den geeigneten Schuh finden.

Was passiert aber bei unseren vermeintlichen Laufschuh-Experten mit Videoanalyse? Sie filmen lediglich die Ferse und versuchen mit dem richtigen Schuh die Achillessehne in einer Linie mit dem Unterschenkel zu bekommen - sie stützen meist die gesamte Pronation weg und behaupten, Pronation sei etwas Schlechtes (selbst heute noch erlebt und viel zu oft berichtet bekommen!). Wie oben beschrieben, kann das nicht gut gehen und Überlastungen sind vorprogrammiert! 

An einem sehr guten Beispiel aus dem Spitzensport möchte ich die Wichtigkeit der Pronation zeigen. Beim Wienmarathon vor einigen Jahren ist mir der Laufstil von Haile Gebrselassie aufgefallen. Glücklicherweise konnte ich eine Aufzeichnung der ORF-Übertragung auftreiben und eine kleine Passage rausschneiden. Bitte beachte genau die Stützphase jedes einzelnen Schrittes - was wäre wohl passiert, wenn dieser Sportler eine Videoanalyse bei unseren Experten gemacht hätte?




Pronation ist für uns Läufer prinzipiell etwas Gutes, wenn wir "aktiv laufen" KÖNNEN. Mit dem richtigen Laufstil und der nötigen (Fuß)Muskulatur sind wir in der Lage, diese Pronation für uns zu nützen, ohne dabei ein größeres Verletzungsrisiko zu haben. Wir müssen nicht unbedingt jede kleinste Zusatzbewegung wegstützen. Im Gegenteil, wenn wir ständig mit diesen gestützten Schuhen laufen, wird sich die nötige Muskulatur abbauen und wir werden gar nicht mehr ohne diese Stützen laufen können. Investiere etwas Zeit in die Lauftechnik, dann wirst du langfristig nicht nur schneller werden, sondern du wirst auf unnötige Stützen verzichten und dadurch auch leichtere Laufschuhe tragen können.

Erstveröffentlichung im Mai 2011 - und weiterhin aktuell!

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Tipp der Woche
Wenn's einmal ein Marathon werden sollte, dann musst du diesen Leitfaden gelesen haben. Dann kommst du sicher und verletzungsfrei ins Ziel und verlierst auf dem Weg dorthin nie den Spaß am Laufen

2 Kommentare:

  1. Sehr cool, das Video. Der Herr Selassie hätte wahrscheinlich nach dem Besuch eines Intersport-Lauftests einen massiv gedämpften Schuh tragen müssen ;-))) ...der Arme.

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  2. Wie recht du doch hast! Deshalb wird er wohl auch nicht vom Intersport gesponsert ;-)

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