Sonntag, 19. August 2012

Antioxidantien – Mythos und Wirklichkeit


Sicher hast du schon von den Phänomenen „freie Radikale“ und „oxidativer Stress“ gehört oder gelesen – und in einem Atemzug vermutlich auch gleich von „Antioxidantien“ wie zum Beispiel den Vitaminen C und E und Flavonoiden als Radikalfänger. Das Thema ist mit einigen Mythen behaftet, die der Autor (Dr. Oliver Neubauer) dieses Runtasia-Blogs für dich näher beleuchten durfte:

Mythos Nummer Eins: Freie Radikale und Co sind nur schädlich…


Auch ohne besondere körperliche Belastung entstehen beispielsweise bei der Nährstoffverbrennung freie Radikale und andere aggressive Sauerstoff- und Stickstoff-Verbindungen die unter dem Namen „reaktive Spezies“ zusammengefasst werden. Diese reaktiven Spezies können bei unkontrollierter Produktion kettenreaktionsartig Zellen und Gewebe schädigen, was bei verschiedenen chronischen Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) oder Alterungsprozessen der Fall ist. Im Allgemeinen spricht man in einer solchen Situation von sogenanntem „oxidativem Stress“.

Mythos Nummer Eins lautet, dass reaktive Spezies nur schädlich sind. Das ist falsch!


Reaktive Spezies schädigen nicht grundsätzlich – sie stellen lediglich dann eine Gesundheitsgefährdung für den Körper dar, wenn sie nicht neutralisiert werden. Derart ungünstige Ausgangssituationen liegen vor, wenn Stoffwechselprozesse beispielsweise aus pathologischen, also krankheitsbedingten Gründen entgleist sind. Einige radikalbildende Prozesse laufen auch bei intensiver und/oder langer körperlichen Belastungen vermehrt ab – allerdings nur vorübergehend. Mögliche Ursachen sind die aerobe Energiebereitstellung und die damit verbundene erhöhte Sauerstoffaufnahme oder Entzündungsprozesse die unter anderem durch winzige Muskelfaserrisse in Gang gesetzt werden. Zu einem Problem werden diese natürlichen Stressreaktionen auch für wettkämpfende AusdauerathletInnen in der Regel nur dann, wenn der Regeneration zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Ein bemerkenswerter Clou an dieser „Story“ ist, dass die kurzlebigen reaktiven Spezies bei einem gut ausgeklügelten Trainingsplan sogar als Signalstoffe für Trainingsanpassungen tätig sind. Sie fungieren sozusagen als Trainingsreiz, auf den der Körper nach der Belastung reagiert. Wichtig ist, dass die reaktiven Spezies langfristig in Schach gehalten werden. Dafür gibt es im Körper ein ganzes Heer an Radikalfängern, die unter dem Begriff „Antioxidantien“ zusammengefasst werden.

Mythos Nummer Zwei: Je mehr Antioxidantien, umso besser…


Dieses Antioxidantien-Heer umfasst einerseits vom Körper gebildete Blut- und Gewebesubstanzen und Enzyme, andererseits antioxidativ wirksame Nähr- und Pflanzeninhaltsstoffe wie Vitamin C, Vitamin E, Flavonoide und Carotinoide. Das bedeutet, dass im gesunden Organismus ein hochwirksames Antioxidantien-System vorliegt, welches teilweise auf die Zufuhr von antioxidativen Nähr- und Pflanzenstoffen über die Ernährung angewiesen ist.

Insgesamt spricht die wissenschaftliche Datenlage dafür, dass eine vollwertige, ausgewogene, energiebilanzierte und natürliche Ernährung ausreichend Potential für die Bedarfsdeckung an Antioxidantien bietet – auch und gerade bei sportlich mäßig bis hoch aktiven Menschen. Eine vom Blog-Autor gemeinsam mit Prof. Karl-Heinz Wagner durchgeführte Studie mit 42 Ironman-Triathleten hat gezeigt, dass selbst der erhöhte Antioxidantienbedarf nach einem Ironman-Triathlon gut durch eine gezielte Lebensmittelauswahl gedeckt werden kann. Damit sind wir thematisch bei einem weiteren Irrglauben angelangt, der lautet:

„Je mehr Antioxidantien, desto besser“. Auch das ist falsch! 

Die Datenlage zur Wirkung von beispielsweise hochdosierten Vitamin C-Supplementen zur Prävention von grippalen Infekten ist bescheiden. Vielmehr liegen inzwischen vermehrt Studienergebnisse vor, die zeigen, dass überhöhte Dosierungen mit Antioxidantien in konzentrierter Form als Supplemente Trainingsanpassungen sogar blockieren können.

Sporternährung „offered by Mother Earth“


Prinzipiell spricht in der unmittelbaren Regenerationsphase nach intensiven und langen Ausdauerbelastungen oder bei harten Trainingsperioden nichts gegen einen ergänzenden Einsatz von Sporternährungsprodukten die moderat mit Antioxidantien angereichert wurden. Wirf einfach einen Blick auf die Nährstoffangaben der verwendeten Sportgetränken, Energieriegel oder –gels, etc. Als Faustregel gilt, dass die Dosierung mit Antioxidantien kein Vielfaches der gegenwärtigen Empfehlungen (meist als sogenannte Recommended Dietary Allowance, kurz RDA angegeben) betragen sollten.

Die Maxime für alle sportlich aktiven Menschen ist und bleibt eine hochwertige Ernährung mit einer reichen Auswahl an Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft. Natürliche Lebensmittel haben einerseits den großen Vorteil, dass sie Antioxidantien in Mengen „liefern“, die dem physiologischen Bedarf entsprechen. Andererseits sorgt die in Obst, Gemüse, Obst- und Gemüsesäften, Vollkornprodukten, Nüssen und pflanzlichen Ölen wie z.B. Weizenkeimöl enthaltene Vielzahl an Vitaminen, Mineralstoffen und Pflanzeninhaltsstoffen für ein unschlagbar breites Spektrum an günstigen Wirkungen für Gesundheit, Leistung und Regeneration.

Der vom Autor im British Journal of Nutrition veröffentlichten Artikel zum Thema Antioxidantien bei Ultra-Ausdauerbelastungen ist unter folgendem Link abrufbar: http://journals.cambridge.org/abstract_S0007114510001856



Über den Autor zum Antioxidantien-Blog
Dr. Oliver Neubauer, staatlich geprüfter Triathlon-Lehrwart und selbst Finisher von vier Ironman-Triathlons, arbeitet seit 2006 am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien (www.univie.ac.at/antiox). Für seine internationalen Veröffentlichungen einer vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Studie an Ironman-Triathleten, wurde Oliver Neubauer 2010 mit dem renommierten FWF-Erwin-Schrödinger-Stipendium ausgezeichnet. Im Zuge dieses Auslandsstipendiums leitete Neubauer an der australischen Griffith University ein Projekt über belastungsbedingte Genreaktionen in Immunzellen und der Skelettmuskulatur. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen leistungsphysiologische Fragestellungen auf molekularer Ebene, Immunreaktionen und Antioxidantien bei körperlicher Aktivität und Belastung, sowie Themen zur Sporternährung.

2 Kommentare:

  1. Hallo, ich war letztens sehr baff als ich gelesen habe, dass ein Ernährungswissenschaftler wirklich Antioxidantienanalysen anbietet? Ist das überhaupt wissenschaftlich fundiert? Was kann dabei wirklich raus kommen.... hab von Bekannten gehört, dass diese Analyse über Streifen erfolgt welche über die Haut gestrichen werden oder so in der Art. Wäre sehr froh eine Antwort zu diesem Thema zu bekommen.

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    1. Puh! Da kann ich dir perslönlich auch nicht weiterhelfen! Ob Ernährungswissenschaftler tatsächlich seriöse Antioxidantienanalysen anbieten können, bezweifle ich jedoch.
      Du kannst aber gerne auch bei Dr. Neubauer nachfragen (Autor dieses Artikels), der auf alle Fälle DER Experte in Sachen Antioxidantien ist.

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