Sonntag, 8. Januar 2017

Wieso du den Marathon nicht schneller laufen kannst, als du ihn laufen kannst

Die Überschrift hört sich logisch an, doch für manche Marathonläufer ist sie nicht ganz so überzeugend…sie wollen mehr! Jeder Läufer hat in der Vorbereitung auf den Marathon für sich selbst bestimmte Voraussetzungen geschaffen, um einen Marathon durchzulaufen. Bei optimalen Bedingungen ist damit eine bestimmte maximale Finisherzeit möglich. Das ist ein Fakt! Optimistisch erhoffte Wunder sind da nur selten möglich, was so mancher Läufer schmerzvoll eingestehen muss!

In vielen Gesprächen mit Marathonläufern ist mir oft aufgefallen, dass manche Läufer eine spezielle Marathontaktik haben: „ich „versuche“ einmal diese Pace“ heißt es oder „mal sehen, ob heute die Bestzeit fällt“. In Wirklichkeit haben sie aber keine Ahnung, ob sie das konkret schaffen. Wenn du einen Marathon mit einer für dich optimalen Taktik laufen möchtest, musst du schon vor dem Start wissen, was theoretisch möglich wäre. Deshalb haben wir ja in den Monaten vor dem großen Marathon das Wettkampftempo ausgetestet und dementsprechend trainiert. Der Körper ist dabei relativ stabil, sodass große Schwankungen nicht zu erwarten sind, aber auch keine Wunder. Natürlich haben wir beim Marathon nie eine Garantie, ob unser Plan aufgeht, doch mit einer guten Planung reduzierst du die Risiken.

Das Limit beim Marathon

Manche meinen, dass der Kopf das einzige Limit beim Laufen ist. Was irgendwie auch stimmt. Denn mit einer positiven Einstellung und Selbstvertrauen können Berge versetzt werden und Menschen sind zu unvorstellbaren Leistungen fähig! Beim Marathon entscheidet der Kopf aber nur darüber, ob man überhaupt ins Ziel kommt oder nicht. Die endgültige Zeit wird beinahe ausschließlich vom Stoffwechsel und von den gespeicherten Energiereserven vorgegeben.

Ein Beispiel für die bereits erfahrenen Marathonläufer:
Hast du schon einmal den „Mann mit dem Hammer“ kennengelernt? Das ist der Zeitpunkt bei einem Marathon, ab dem nichts mehr läuft! Meist trifft man ihn ab etwa 30 bis 35 Kilometern. Die Beine sind schwer und jeder Schritt fühlt sich um ein Vielfaches anstrengender an, obwohl man deutlich langsamer läuft…laufen muss! Genau in dieser Phase werden die Glykogenspeicher leer und der Körper ist nur noch auf ein einziges Substrat angewiesen, nämlich den Fetten. Der Fettstoffwechsel liefert die Energie jedoch deutlich langsamer als die Kohlenhydrate und genau deshalb sind wir auch gezwungen, langsamer zu laufen.

Wenn du den Mann mit dem Hammer schon einmal erlebt hast, dann wirst du mir bestätigen, dass der Kopf lediglich dazu beitragen kann, diesen Marathon nur irgendwie zu finishen. Auch mit größter Motivation ist das bis dahin gelaufene Tempo nicht mehr zu halten! In Wirklichkeit heißt es für diesen Läufer: das bis zum Einbruch gewählte Tempo war für diesen Tag und unter diesen Bedingungen einfach zu schnell!

Und genau diese Erfahrung solltest du beim Marathon NICHT machen. Wenn du weißt, wie ausgeprägt dein Fettstoffwechsel ist und wie sehr du das Marathontempo trainiert hast, dann kannst du mit geringen Abweichungen relativ genau sagen, wann du ins Ziel kommen wirst. Ohne Einbruch!

Motivation als Ergebniskiller

Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, dass eine übertriebene Motivation den Marathon sogar gefährden kann. Startest du voll motiviert (weil dein Jahreshöhepunkt) in einer extrem motivierenden Umgebung (Start bei einem Marathon), dann kann es schon passieren, dass du dich von der Masse mitreißen lässt und deutlich schneller läufst, als eigentlich für dich möglich wäre. Nach den motivierenden ersten 5 Kilometern folgen 15 realistische Kilometer und nach der ersten Hälfte folgt oft nur noch ein Halbmarathon Schadensbegrenzung.

Noch schlimmer sind jene Marathonläufer, die wie oben beschrieben, nicht wirklich wissen, was möglich ist, aber doch ein Ziel vor Augen haben. Und weil sie sich unsicher sind, laufen sie sich für die ersten Kilometer einen „Sicherheitspolster“ heraus. „Dann kann ich zum Schluss etwas nachlassen“, heißt es. Meist muss man dann mehr nachlassen, als einem lieb wäre!

Selbstvertrauen als Rückenwind

Damit wir beim Marathon nicht überrascht werden, müssen wir Erfahrungen sammeln und uns kennenlernen. Es ist ja klar, dass sich Läufer, die bereits einige Marathons in den Beinen haben, besser einschätzen können als unerfahrene Marathonneulinge. Sie konnten bereits Erfahrungen sammeln, auch wenn manche vielleicht auch schmerzvoll waren.

  • Wettkämpfe
    Die meisten Erfahrungen sammelst du bei Trainingswettkämpfen. Plane sie gezielt in deine Marathonvorbereitung ein und analysiere im Nachhinein deine Goods und Don’ts. Es gibt eine Menge zu lernen!
  • Wettkampftempo
    Lauf oft genug das geplante Wettkampftempo und passe es rechtzeitig an, sollte sich herausstellen, dass es (noch) nicht möglich ist. Wichtig dabei ist aber auch, dass du dieses Tempo unter den erwarteten Bedingungen testest: Lauf nicht immer am Abend, wenn der Start des Marathons am Vormittag ist. Experimentiere mit der Ernährung vor dem Lauf. Trainiere das Tempo bei ungefähr den erwarteten Temperaturen – es macht einen Unterschied, ob du bei 5 oder bei 20° läufst!
  • Respekt vor der Distanz
    Unterschätze nie die Distanz eines Marathons! Ein Marathon ist weit, sehr weit! Auch nach dem 10. Mal sind es immer noch mehr als 42 Kilometer, die zu laufen sind! Nicht dass du auf die Idee kommen könntest, dass deine Erfahrungen den Marathon leichter werden lassen oder dass der Marathon irgendwann einmal schon nach 35 Kilometern zu Ende ist! Dieser Respekt hilft dir, das richtige und realistische Tempo zu laufen.

Im nächsten Bericht möchte ich einen taktischen Schritt weiter gehen und auf den „Negativen Split“ eingehen, von dem viele Marathonläufer sprechen! Was ist dran an der Theorie, die zweite Hälfte eines Marathons schneller zu laufen als die erste Hälfte? Bringt das was, oder ist das ein weiterer Marathonmythos, den wir krampfhaft nachlaufen…

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