In meiner Sonntagsroutine lese ich nach dem
Frühstück gerne meine Zeitung. Davor war ich natürlich laufen, damit mir das
Frühstück noch mehr schmeckt. Letzten Sonntag fiel mir ein Bericht ins Auge, der
unseren generellen Bewegungsmangel als Thema hatte „Weg mit 200 Kalorien pro
Tag“, lautete der Titel, der online etwas umgeschrieben mit dem Titel „DemFitness-Mythos widerstehen“ veröffentlicht wurde. Dieser Bericht hat zwar nur eingeschränkt mit dem Laufen zu tun, er widerspiegelt aber, wie schwierig es ist, Menschen zu regelmäßiger Bewegung zu bringen. Auch wie schwer es ist, mit Mythen abzurechnen.
„Bloß nicht mit mehr als einem Puls von 130 sporteln“
Unser erster Experte rechnet mit diesem Mythos
ab: „Das kommt aus der Zeit, als vor
Trainingsstart weder das Herz-Kreislauf-System noch das Herzkranzgefäßsystem
auf Beeinträchtigungen geprüft wurden; man fürchtete Böses und blieb bei
niedriger Intensität. Das ist ähnlich absurd, als wenn man Kindern mit dem
Weihnachtsmann droht.“ Endlich jemand, der die Menschen von diesem Gedanken
wegbringt, denn wie wir wissen, sind wir sehr individuell und wir haben
unterschiedliche Trainingsbereiche.
Einen Absatz später wird vom Kollegen auch
gleich der Pulsbereich eines „risikofreien,
aber erfolgreichen Trainings“ präsentiert: Ausgehend von der maximalen
Herzfrequenz (die mittels Fahrradergometrie ermittelt werden soll), soll man im
Bereich von 60 bis 85% davon trainieren und vereinfacht das mit einem
praktischen Beispiel: „Gesetzt den Fall,
das Maximum ist 180, wird einmal mit 0,6 und einmal mit 0,8 multipliziert.“
Wird der Sicherheitsbereich überschritten, kann die Produktion von
Stresshormonen und Milchsäure, die während eines Trainings angekurbelt wird,
zur Überanstrengung führen. „Die Leute
sitzen nach zwei Kilometern keuchend und tiefrot auf der Parkbank und hängen
die Laufschuhe an den Nagel.“
Rechnen wir doch nach: bei einer maximalen
Herzfrequenz von 180 Schlägen liegt der Bereich von 60 bis 85% bei einem Puls
von 108 bis 153 Schlägen! Aha! In Wirklichkeit haben uns diese Experten genau
den Mythos bestätigt: trainiere (im Schnitt) bei 130 Schlägen, besser wäre
sogar etwas niedriger, denn sonst kann es wirklich gefährlich werden. Es gibt
ihn als doch, den Weihnachtsmann? Im erwähnten Rechenbeispiel wird sogar nur
mit 80% statt mit 85% gerechnet, was den maximalen Trainingspuls noch einmal
senken würde. Das war wohl ein Versehen?
Und klar ist auch, dass sich kein Anfänger (wenn er einen Maximalpuls von 180 Schlägen hat) mit einem Puls von 153 Schlägen nach zwei Kilometer keuchend und tiefrot auf der Parkbank ausruhen muss. Im Gegenteil, die werden wahrscheinlich sowieso nicht mit einem derartig niedrigen Puls laufen können. Auch wenn sie sich bei der Belastung „noch gut unterhalten können“, wie in diesem Artikel auch erwähnt wurde, jeder wird höchstwahrscheinlich einen höheren Puls haben, bei dem man plaudern kann. Und Laufanfänger haben es sicher auch schon erfahren, dass man sowieso nur schwer längere Distanzen von Beginn an durchlaufen kann. Egal wie hoch der Puls auch ist.
Was ich
damit sagen möchte:
Leute, schaut nicht auf den Puls und bewegt
euch einfach! Diese Experten erzählen keine Unwahrheiten, sie sind für uns nur nicht
praxistauglich. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren und eine allgemeine
Empfehlung für ein Training abgeben. Keinesfalls eine Pulsempfehlung. Die
Wissenschaft funktioniert aber so, man versucht, eine Erklärung für unsere
Funktionen zu finden. Wie in anderen Bereichen auch: Die Gesellschaft für
Ernährung gibt allgemein vor, dass Frauen einen täglichen Energiebedarf von
2.300 kcal und Männer einen Bedarf von 2.900 kcal haben. In
der Sportmedizin wird das Laktat als absolute
Steuergröße im Training herangezogen, obwohl man weiß, dass die Laktatmessung sehr großen individuellen Schwankungen und äußeren Einflussfaktoren ausgesetzt
ist. Manche Belastungsergometrien werden weit vor der individuellen
Ausbelastung abgebrochen, da die „erwartete maximale Herzfrequenz“ erreicht
wurde.
Wenn man die Natur beschreiben oder erklären
möchte, dann hat man keine andere Möglichkeit, als eine grobe Erklärung zu
finden, die für einzelne Individuen nicht zutreffen müssen. Deshalb ist es wichtig,
bei solchen Aussagen das „es kommt darauf an“ zu erwähnen. Viele solcher
Antworten konnte ich bereits in meinem Buch „30 Mythen übers Laufen“ zusammenfassen. Ich hoffe zumindest, dass dadurch
nicht wieder neue Fragen aufgetaucht sind?
„Weg mit 220 Kalorien pro Tag“
Laut WHO ist körperlich ausreichend aktiv, wer
pro Woche 150 Minuten in Bewegung ist. In Worten des Experten: „Für ein gesundes Leben muss ich 1500
Kalorien pro Woche verbrennen, also zwischen 200 und 220 Kalorien pro Tag.“
Um nicht nur „gesund“, sondern „fit“ zu sein, muss deutlich mehr getan werden:
Zwischen 2500 und 3000 Kalorien pro Woche gilt es zu verbrennen. Also etwa das
Doppelte der „gesundheitsfördernden Aktivität“.
Erstens ist aus diesen Aussagen nicht zu
erkennen, ob diese Werte zusätzlich zum täglichen Alltag gehören, oder ob sie
ganz allgemein gemeint sind. Denn es macht einen Unterschied, ob ich insgesamt
4000 Schritte gehen muss oder ob ich
sie zusätzlich zu einem Büroalltag anhängen sollte. Ich nehme aber an, dass sie
als zusätzlich verstanden werden können. Und wenn ich laut WHO tatsächlich in
150 Minuten 1500 kcal verbrenne, dann müsste ich also eine Aktivität wählen,
die pro Stunde 600 kcal verbraucht.
Mit dieser in der Printausgabe verwendeten
Überschrift ist zu verstehen, dass wir eh nicht viel tun müssen, damit wir uns
ausreichend bewegen. 220 kcal pro Tag ist gerade einmal 10% des Grundumsatzes.
Wenn wir gesund und fit sein wollen, dann sind es auch nur 430 kcal pro Tag
zusätzliche Bewegungsenergie. Was bedeutet das in der Praxis: eine 50 Kilogramm
schwere Frau müsste täglich 9 Kilometer laufen, damit sie diese Empfehlung
erreicht. Ein übergewichtiger, 120 Kilogramm schwerer Mann hingegen bräuchte
täglich nur 3,5 Kilometer laufen. Die leichtgewichtige Dame wäre laut dieser
Vorgabe nur dann „fit“, wenn sie eine Karriere als Leistungssportlerin
einschlägt, und die zweite Person müsste viel weniger Zeit in seine Fitness
investieren, auch wenn 3 ½ Kilometer pro Tag auch noch immer eine große
Belastung für den Körper ist.
Was ich
damit sagen möchte:
Wenn jemand mehr Bewegung machen möchte, dann
soll er es tun, ohne sich von irgendwelchen Vorgaben oder Zielen einschränken
oder verunsichern zu lassen. Es liegt nicht an der Anzahl an verbrannten Kalorien, die einen
gesund oder fit macht, sondern einfach an der Bewegung, an der regelmäßigen
Aktivität. Sobald es Spaß macht und regelmäßig gemacht wird, erfüllt es ihren
Zweck.
Es ist aber auch naheliegend, dass eine
gesundheitsfördernde Aktivität auch anstrengend sein darf. Denn wenn das
Herz-Kreislauf-System gefordert, aber nicht überfordert wird, dann erfolgen
gesundheitsfördernde Anpassungserscheinungen. Erfreulicherweise bin ich bei
meiner Recherche auf den Bericht „Österreichische Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung“ des „Fonds gesundes
Österreich“ gestoßen, in dem ähnliche, aber verständliche Empfehlungen für
Erwachsene zu finden sind. Unter mittlerer und höherer Intensität kann man sich
schon etwas vorstellen. Zur Verständlichkeit sollte man weniger
wissenschaftlich und mehr praktisch denken. Der Einfachheit halber:
Um die
Gesundheit zu fördern und aufrecht zu erhalten ...
- sollten Erwachsene mindestens 150 Minuten (2½ Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 75 Minuten (1¼ Stunden) pro Woche Bewegung mit höherer Intensität oder eine entsprechende Kombination aus Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität durchführen. Idealerweise sollte die Aktivität auf möglichst viele Tage der Woche verteilt werden. Jede Einheit sollte mindestens zehn Minuten durchgehend dauern.
- sollten Erwachsene – für einen zusätzlichen und weiter reichenden gesundheitlichen Nutzen – eine Erhöhung des Bewegungsumfanges auf 300 Minuten (5 Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 150 Minuten (2½ Stunden) pro Woche Bewegung mit höherer Intensität oder eine entsprechende Kombination aus Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität anstreben.
- sollten Erwachsene an zwei oder mehr Tagen der
Woche muskelkräftigende Bewegung mit mittlerer oder höherer Intensität
durchführen, bei denen alle großen Muskelgruppen beansprucht werden.
Tipp der Woche:
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Genau so ist es! Überall wird herumphilosophiert, was doch das Beste für uns faulen Menschen ist, dabei ist es doch so einfach: geh laufen! Bewege dich!
AntwortenLöschenDie Experten müssen kompliziert klingen, das unterstreicht die Kompetenz. Diese Infos kommen aber nicht dort an, wo sie eigentlich sollten. Schreib mehr darüber!!!
OH JA! Es mangelt an der Übersetzung!!!
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