Natürlich spielt die individuelle Veranlagung
eine große Rolle. Manche brauchen einfach länger, bis sie ihre Leistung abrufen
können. Oft hört man, dass es erst „nach zwei, drei Kilometern beginnt, gut
anzufühlen“. Das ist sehr subjektiv und das sollte jeder für sich herausfinden.
Ob da ein spezielles Aufwärmprogramm etwas bringt, das bezweifle ich jedoch.
Denn das Aufwärmen hat eine deutlich größere Bedeutung, als nur ein gutes Laufgefühl zu erlangen.
Auf Betriebstemperatur bringen
Eine der wichtigsten Funktionen des Aufwärmens
ist es, wie der Name schon vermuten lässt, den Körper aufzuwärmen. Die Körperfunktionen
hochzufahren und eine gewisse Betriebstemperatur zu erreichen. Unser Körper kann
nämlich nur Leistung optimal erbringen, wenn er eine höhere Kerntemperatur
erreicht wird. Unter Belastung ist die Körpertemperatur bei etwa 38 bis 39 Grad.
Bei dieser Temperaturwerden die Muskeln
und die Sehnen elastischer und belastbarer. Das braucht also etwas Zeit,
bis wir unsere Betriebstemperatur erreicht haben. Wie lange das dauert, das
muss jeder für sich selbst rausfinden. Es können 10 Minuten ausreichen oder
auch eine halbe Stunde nötig sein. Wichtig ist nur, dass man nach dem Aufwärmen
nicht das Gefühl hat, dass man sich bereits ausgepowert hat.
Zum Erreichen der optimalen Betriebstemperatur
wäre eigentlich ein lockeres Laufen bereits ausreichend. Wir wissen, dass uns beim
Laufen nach wenigen Minuten schon warm wird, die Körpertemperatur steigt also. Das
wäre aber nur die halbe Sache beim Aufwärmen, denn ein richtiges Aufwärmen hat
deutlich mehr Auswirkungen auf den Körper und natürlich auch auf deine
Leistung.
Kreislauf aktivieren
Mit dem richtigen Aufwärmen, wird dir nicht
nur warm werden, sondern dein Puls
wird allmählich auch in die Höhe gehen und du wirst beginnen, tiefer zu atmen. Und das nicht gleich von
Null auf Hundert! Dein Körper hat Zeit, sich auf die Belastung physisch
vorzubereiten und fährt die Funktionen hoch, die für die folgende
Trainingseinheit benötigt werden. Bei einem „Kaltstart“ würde es länger brauchen,
bis der Körper mit dem Nachtransport von Sauerstoff und Nährstoffen nachkommt.
Dadurch entsteht auch eine „Sauerstoffschuld“, die mit einer höheren Laktatanhäufung
bezahlt werden muss.
Wenn der Stoffwechsel bereits gut aktiviert
wurde, wird mehr Blut in die Muskulatur und damit auch mehr Sauerstoff in die
Zellen transportiert. Wenn du mit der Trainingseinheit beginnst, werden die Nährstoffe schneller zur Muskulatur hin,
und die anfallenden Abbauprodukte (z. B. das Laktat) von der Muskulatur
wegtransportiert. Du kannst die Leistung also schneller abrufen!
Bewegungsapparat aktivieren
Mit dem richtigen Aufwärmen kommt auch der Bewegungsapparat
in Schuss. Nicht nur die Muskulatur wird leistungsfähiger, sondern auch die
Gelenke selbst werden geschmeidiger und bewirken nicht nur ein gutes Laufgefühl.
Durch das Einlaufen wird nämlich auch die Produktion
der Gelenkflüssigkeit angeregt. Die Gelenke werden dadurch stabiler und versorgen
die Knorpel zusätzlich mit Flüssigkeit und Nährstoffen. Der Knorpel bläst sich
regelrecht auf und bekommt eine größere Oberfläche und Dicke. Dadurch werden
die Stoßbelastungen leichter abgedämpft.
Auch der Bewegungsumfang der Gelenke wird durchs
richtige Aufwärmen erweitert. Das ermöglicht nicht nur die notwendige Beweglichkeit
fürs Laufen, sondern senkt auch das Verletzungsrisiko.
Wie viele tun sich im Alltag weh, wenn sie einer Straßenbahn nachlaufen.
Mentales Aufwärmen
Beim Aufwärmen kann man auch geistig fit
werden. Wenn du jedes Mal vor einer intensiven Einheit ein ordentliches Aufwärmprogramm
durchführst, dann wird dieser Ritus konditioniert und der Körper stellt sich
auch mental positiv auf das kommende Training ein. Weil der Körper dieses
Ritual kennt, werden dir diese Trainingseinheiten mit der Zeit weniger anstrengend vorkommen, auch
wenn sie immer noch anstrengend bleiben.
Laufspezifisches Aufwärmen
Ein richtiges
Aufwärmprogramm muss sportartspezifisch sein. Genau die Muskeln, Sehen und
Gelenke, die bei der eigentlichen Sportart gebraucht werden, müssen auf die
Belastung vorbereitet werden. Es ist logisch, dass sich ein Tänzer anders
aufwärmen muss als ein Speerwerfer. Für uns Läufer ist das beste
Aufwärmprogramm, neben dem eigentlichen Einlaufen, das Lauf-ABC.
Mit diesen Übungen wird dir auf alle Fälle warm, die Muskulatur muss deutlich mehr
arbeiten als beim lockeren Einlaufen und die Gelenke werden mobilisiert, ohne
dass sie ihren Muskeltonus verlieren. Dehnen hätte hier eine genau gegenteilige
Wirkung.
Was möchte ich trainieren?
ABER! Ein gezieltes Aufwärmprogramm ist nur
relevant, wenn die Trainingseinheit danach intensiv ist. Vor einem
Intervalltraining oder vor einem Wettkampf sollte es sowieso schon Routine sein,
aber auch vor zügigen Dauerläufen oder Testläufen im Wettkampftempo hat das Aufwärmen seine Bedeutung. Wenn du einen lockeren
a1-Lauf am Plan hast, auch wenn er über 30 Kilometer gehen sollte, ist der
Start der Laufeinheit bereits das Einlaufen. Wenn du keine intensive Belastung
vorhast, dann brauch der Körper auch keine so große Aktivierung. Denn nur bei intensiven
Belastungen ist das Verletzungsrisiko höher und die sofort verfügbare Leistung
wichtig.
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