Sonntag, 23. Mai 2021

Wozu aufwärmen?

Manche Läufer sehen keinen Sinn im Aufwärmen und laufen einfach los. Andere wiederum brauchen ewig, bis sie für die eigentliche Trainingseinheit ausreichend vorbereitet sind. Ist nun ein Aufwärmen wichtig oder wird das doch wieder einmal überbewertet?

Natürlich spielt die individuelle Veranlagung eine große Rolle. Manche brauchen einfach länger, bis sie ihre Leistung abrufen können. Oft hört man, dass es erst „nach zwei, drei Kilometern beginnt, gut anzufühlen“. Das ist sehr subjektiv und das sollte jeder für sich herausfinden. Ob da ein spezielles Aufwärmprogramm etwas bringt, das bezweifle ich jedoch. Denn das Aufwärmen hat eine deutlich größere Bedeutung, als nur ein gutes Laufgefühl zu erlangen.

Auf Betriebstemperatur bringen

Eine der wichtigsten Funktionen des Aufwärmens ist es, wie der Name schon vermuten lässt, den Körper aufzuwärmen. Die Körperfunktionen hochzufahren und eine gewisse Betriebstemperatur zu erreichen. Unser Körper kann nämlich nur Leistung optimal erbringen, wenn er eine höhere Kerntemperatur erreicht wird. Unter Belastung ist die Körpertemperatur bei etwa 38 bis 39 Grad. Bei dieser Temperaturwerden die Muskeln und die Sehnen elastischer und belastbarer. Das braucht also etwas Zeit, bis wir unsere Betriebstemperatur erreicht haben. Wie lange das dauert, das muss jeder für sich selbst rausfinden. Es können 10 Minuten ausreichen oder auch eine halbe Stunde nötig sein. Wichtig ist nur, dass man nach dem Aufwärmen nicht das Gefühl hat, dass man sich bereits ausgepowert hat.

Zum Erreichen der optimalen Betriebstemperatur wäre eigentlich ein lockeres Laufen bereits ausreichend. Wir wissen, dass uns beim Laufen nach wenigen Minuten schon warm wird, die Körpertemperatur steigt also. Das wäre aber nur die halbe Sache beim Aufwärmen, denn ein richtiges Aufwärmen hat deutlich mehr Auswirkungen auf den Körper und natürlich auch auf deine Leistung.

Kreislauf aktivieren

Mit dem richtigen Aufwärmen, wird dir nicht nur warm werden, sondern dein Puls wird allmählich auch in die Höhe gehen und du wirst beginnen, tiefer zu atmen. Und das nicht gleich von Null auf Hundert! Dein Körper hat Zeit, sich auf die Belastung physisch vorzubereiten und fährt die Funktionen hoch, die für die folgende Trainingseinheit benötigt werden. Bei einem „Kaltstart“ würde es länger brauchen, bis der Körper mit dem Nachtransport von Sauerstoff und Nährstoffen nachkommt. Dadurch entsteht auch eine „Sauerstoffschuld“, die mit einer höheren Laktatanhäufung bezahlt werden muss.

Wenn der Stoffwechsel bereits gut aktiviert wurde, wird mehr Blut in die Muskulatur und damit auch mehr Sauerstoff in die Zellen transportiert. Wenn du mit der Trainingseinheit beginnst, werden die Nährstoffe schneller zur Muskulatur hin, und die anfallenden Abbauprodukte (z. B. das Laktat) von der Muskulatur wegtransportiert. Du kannst die Leistung also schneller abrufen!

Bewegungsapparat aktivieren

Mit dem richtigen Aufwärmen kommt auch der Bewegungsapparat in Schuss. Nicht nur die Muskulatur wird leistungsfähiger, sondern auch die Gelenke selbst werden geschmeidiger und bewirken nicht nur ein gutes Laufgefühl. Durch das Einlaufen wird nämlich auch die Produktion der Gelenkflüssigkeit angeregt. Die Gelenke werden dadurch stabiler und versorgen die Knorpel zusätzlich mit Flüssigkeit und Nährstoffen. Der Knorpel bläst sich regelrecht auf und bekommt eine größere Oberfläche und Dicke. Dadurch werden die Stoßbelastungen leichter abgedämpft.

Auch der Bewegungsumfang der Gelenke wird durchs richtige Aufwärmen erweitert. Das ermöglicht nicht nur die notwendige Beweglichkeit fürs Laufen, sondern senkt auch das Verletzungsrisiko. Wie viele tun sich im Alltag weh, wenn sie einer Straßenbahn nachlaufen.


Mentales Aufwärmen

Beim Aufwärmen kann man auch geistig fit werden. Wenn du jedes Mal vor einer intensiven Einheit ein ordentliches Aufwärmprogramm durchführst, dann wird dieser Ritus konditioniert und der Körper stellt sich auch mental positiv auf das kommende Training ein. Weil der Körper dieses Ritual kennt, werden dir diese Trainingseinheiten mit der Zeit weniger anstrengend vorkommen, auch wenn sie immer noch anstrengend bleiben.


Laufspezifisches Aufwärmen

Ein richtiges Aufwärmprogramm muss sportartspezifisch sein. Genau die Muskeln, Sehen und Gelenke, die bei der eigentlichen Sportart gebraucht werden, müssen auf die Belastung vorbereitet werden. Es ist logisch, dass sich ein Tänzer anders aufwärmen muss als ein Speerwerfer. Für uns Läufer ist das beste Aufwärmprogramm, neben dem eigentlichen Einlaufen, das Lauf-ABC. Mit diesen Übungen wird dir auf alle Fälle warm, die Muskulatur muss deutlich mehr arbeiten als beim lockeren Einlaufen und die Gelenke werden mobilisiert, ohne dass sie ihren Muskeltonus verlieren. Dehnen hätte hier eine genau gegenteilige Wirkung.

Was möchte ich trainieren?

ABER! Ein gezieltes Aufwärmprogramm ist nur relevant, wenn die Trainingseinheit danach intensiv ist. Vor einem Intervalltraining oder vor einem Wettkampf sollte es sowieso schon Routine sein, aber auch vor zügigen Dauerläufen oder Testläufen im Wettkampftempo hat das Aufwärmen seine Bedeutung. Wenn du einen lockeren a1-Lauf am Plan hast, auch wenn er über 30 Kilometer gehen sollte, ist der Start der Laufeinheit bereits das Einlaufen. Wenn du keine intensive Belastung vorhast, dann brauch der Körper auch keine so große Aktivierung. Denn nur bei intensiven Belastungen ist das Verletzungsrisiko höher und die sofort verfügbare Leistung wichtig.

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