Seit mehr als 50 Jahren tüfteln die Hersteller an
Innovationen und Verbesserungen an den Laufschuhen herum, um einerseits bessere
Schuhe zu produzieren, das Verletzungsrisiko beim Laufen zu reduzieren und
natürlich auch um diese Laufschuhe in Massen zu verkaufen. Leider wurde von
diesen drei Zielen eines nicht erreicht: die Reduktion der
Verletzungsanfälligkeit. Diesmal möchte ich eine Geschichte zur Entwicklung der
Laufschuhtechnologie erzählen und erklären, wieso die modernen Laufschuhe nicht
unbedingt besser sind als die vor einem halben Jahrhundert.
Der richtige Laufboom begann in den 60ern und 70ern. Bis
dahin war das Laufen eher eine „elitäre“ Sportart in Vereinen, die meist
ausschließlich wettkampf- bzw. leistungsbezogen betrieben wurde. Erst mit den
veränderten Arbeitsbedingungen und mit dem damit verbundenen
Gesundheitsbewusstsein, begannen die Menschen, sich mehr zu bewegen. Ja, bereits
in den 60ern hatten wir Gewichtsprobleme. Immer mehr betrieben das Joggen in ihrer
Freizeit, doch Laufschuhe, wie wir sie kennen, gab es bis dato noch nicht. Man
lief einfach in den Freizeitschuhen, meist ganz einfach Sneakers, mit denen man
auch den Alltag bestritt. Die Konsequenz war, dass bald die ersten Beschwerden auftraten:
Knieprobleme begleiteten viele Läufer.
Die Schuhhersteller fanden auch gleich die Ursache im
Aufprall beim Laufen mit der Ferse, der sich ins Knie fortpflanzt. Um diese
Kniebeschwerden zu lindern, gab es die erste wirklich bedeutende Innovation bei
den Laufschuhen: die Dämpfung. Damals gab es bereits Materialien, die als Polster unter
der Ferse geeignet waren. Asics und Adidas waren die ersten, die spezielle
Laufschuhe mit Fersendämpfung auf den Markt gebracht hatten. Sie hatten auch
ihre Wirkung, denn die Knieprobleme bei Läufern gingen zurück. Stattdessen traten
jedoch andere spezifische Laufprobleme auf: vor allem Schienbeinkanten- und Achillessehenprobleme.
Durch den Fersenkeil wurde das Verletzungsrisiko nicht gesenkt, sondern nur
verschoben.
Walter erzählt dir die Geschichte der Laufschuhe |
Das Problem mit der Fersendämpfung ist nämlich, dass das zusätzliche Material, das jetzt unter der Ferse platziert ist und den Aufprall lindert, Platz braucht. Dadurch wurden die Laufschuhe höher, man läuft auf einem Absatz. Sobald die Ferse höher ist, wird man im Sprunggelenk instabiler. Ein gutes, wenn auch extremes Beispiel ist das Gehen (Laufen) in Stöckelschuhen. Ein stabiles Gehen ist nur mit sehr viel Übung machbar, oft knöchelt man sogar um. Wenn dieser Absatz nun auch noch weich ist, dann fühlt sich der Aufprall wie auf einem Kissen an, doch die Kräfte beim Aufprall drücken den Fuß in eine ungünstige Position, die im Fachjargon „Überpronation“ genannt wird. Was für uns Läufer heutzutage ein gängiger Begriff ist, war damals noch relativ unbekannt. Erst mit der Einführung der Fersendämpfung wurde die Überpronation zu einem klassischen Läuferproblem. Nicht, weil gerade jene Menschen mit Überpronation den Laufsport wählten, sondern weil die verwendeten Laufschuhe eine Überpronation verursachten.
Die Laufschuhhersteller reagierten darauf relativ schnell,
indem sie auf der Innenseite des Laufschuhs eine Verstärkung einbauten, die das
nach innen Knicken verhindern soll. Die nächste Innovation war geboren, die
eigentlich eine Notmaßnahme der ersten Innovation war: die Pronationsstütze. In den 80er und 90er Jahren waren Laufschuhe mit
Pronationsstützen regelrecht ein Muss. Dieser Hype wurde soweit getrieben, dass
fast keine Laufschuhe (mit Ausnahme von Wettkampfschuhen) ohne derartige
Stützen gab. Vielen Läufern ist dieser Trend bis jetzt in den Köpfen geblieben
und beurteilen Laufschuhe nach ihrer Stütze. Doch auch diese Innovation
bewirkte keine Reduktion in der Verletzungsstatistik bei Läufern. Egal, welche
Maßnahmen getroffen wurden, die Verletzungsanfälligkeit blieb nahezu gleich.
Anfang der 2000er liefen wir nur noch mit stabilen,
gedämpften Schuhen, die gut geführt waren, ein tolles Abrollverhalten gaben,
mit denen es quasi von alleine lief. Und genau das war das Problem der Entwicklung
dieser letzten 3 bis 4 Jahrzehnte: die Laufschuhe unterstützten so viel – zu viel,
dadurch hatte der Körper selbst nichts mehr zu tun. Die eigentliche Muskulatur,
die fürs Laufen gebraucht wird, bekam keinen Reiz mehr, besser zu werden. Der
Körper verließ sich auf diese passiven Unterstützungen, und wurde selbst
langsam immer schlechter. Es war nur eine Frage der Zeit, wo die ersten
Überlastungserscheinungen auftraten. Das schwächste Glied in der
Belastungskette wurde auch als erstes überlastet.
Ein extremer Wandel zum eigentlichen Ursprung des Laufens begann
Mitte bis Ende der 2000er. Man sah, dass die Stabilität der Laufschuhe nicht
das Wichtigste ist, im Gegenteil, das Laufen wurde durch sie sogar eingeschränkt.
Deshalb gab es eine Kehrtwende in Richtung „zurück zum natürlichen Laufen“. Weg
mit jeder Unterstützung und dem Fuß seine Freiheit geben, lautete die Devise. Denn
das Natürlichste für uns Menschen ist es, ohne Schuhe zu laufen. Das taten
unsere Vorfahren schon seit hunderten von Generationen. Die Laufschuhe wurden
von nun an als das Böse abgestempelt, denn die haben uns in den letzten Jahrzehnten
eigentlich mehr geschadet als geholfen. Das Barfußlaufen war geboren.
Auf den ersten Blick erscheint diese Entwicklung für die Produzenten
von Laufschuhen nicht gerade positiv. Denn von nun an brauchte man keine Laufschuhe
mehr. Doch die Laufschuhersteller ließen sich den Barfußtrend natürlich auch nicht
entgehen und produzierten haufenweise „Barfußschuhe“. Was sich eigentlich
widerspricht, denn Schuhe haben eben nichts mit barfuß zu tun, doch unsere durch
Schuhe verwöhnten Füße waren es nicht mehr gewohnt, ganz ohne Schuhe zu laufen.
Deshalb wurden einfachste Schuhe entwickelt, die das Barfußlaufen nicht
einschränken, aber doch einen Schutz vor Verletzungen durch Glassplitter oder
Steinen gaben.
Prinzipiell wäre das eine sehr gute Überlegung, aber der
Trend hielt auch nicht lange an, da die meisten Läufer bald schmerzlich
erfahren mussten, dass das Barfußlaufen doch nicht so einfach war und
Verletzungen noch schneller auftraten als zuvor. Da der Übergang von den bisher
sehr hohen Schuhen auf nun ganz flachen Schuhen, die überhaupt keine Dämpfung
mehr hatten, sehr lange dauert, schlichen sich relativ schnell Probleme wie Muskelverhärtungen,
Sehnenansatzentzündungen bis hin zu schwerwiegenden Ermüdungsbrüchen ein. Gab
es Anfang der 10er Jahre von jedem Laufschuhhersteller mindestens ein Barfußmodell,
findet man momentan nur noch wenige Exoten, die noch solche Schuhe produzieren.
Meist sind es solche Firmen, die schon vor dem Barfußhype ihre Barfußschuhe produzierten.
Geblieben sind von diesem Barfußlauftrend jedoch Laufschuhe
mit deutlich weniger Dämpfung. Damit wurde auch der Fersenkeil etwas reduziert,
was bei den Laufschuhen mit dem Begriff Sprengung (Höhenunterschied
zwischen Ferse und Vorfuß) bezeichnet wird. Je niedriger die Sprengung, desto
näher sind wir am Barfußlaufen, obwohl eine gewisse Dämpfung wieder vorhanden war.
War die Sprengung bei Laufschuhen in den 90er Jahren bei etwa 12 bis 15 Millimeter,
so findet man heutzutage kaum Schuhe, die mehr als 12 Millimeter aufweisen.
Der neueste Trend der Laufschuhtechnologie ist die Rückgewinnung
von Energie. Ähnlich wie bei einem Trampolin soll der Schuh beim Aufprall Energie
speichern und sie beim Abdruck wieder freisetzen. Dazu wird eine sehr steife
Carbonplatte in den Schuh eingebaut, die wie eine Feder die Aufprallenergie
speichert. Beim Laufen gibt es dir beim Abdruck eine energetische Unterstützung
und schleudert deinen Fuß regelrecht nach vorne, was dich schneller macht.
Kipchoge lief mit einem derartigen Prototyp den Marathon unter 2 Stunden. Deshalb
gibt es bereits viele Hersteller, die einen Laufschuh mit integrierter Carbonplatte
in der Mittelsohle anbieten. Wie sich dieser Trend entwickeln wird, das werden
wir spätestens in 10 Jahren wissen. Denn wie die Geschichte zeigt, haben solche
Trends bei den Laufschuhen ein baldiges Ablaufdatum.
Was sagt uns die Entwicklung der Laufschuhtechnologie?
Die Geschichte zeigt, dass sich die Laufschuhe prinzipiell enorm
entwickelt hatten. Vor allem die Entwicklung der Materialien haben einen
enormen Sprung gemacht. Man konnte sich vor 20 Jahren nicht vorstellen, wie
leicht die Laufschuhe werden könnten. Wir Läufer müssen wirklich froh sein,
dass wir momentan so gute Laufschuhe haben – egal von welchem Hersteller, das
Qualitätsniveau ist bei allen extrem hoch!
Doch leider hat die Geschichte auch gezeigt, dass bessere
Laufschuhe keine alleinige Lösung für das Verletzungsrisiko sein können. Denn während
der gesamten Zeit wurde das Problem ausschließlich von der technologischen
Seite betrachtet, nie wurde daran gedacht, dass der Läufer etwas dazu beitragen
könnte, um besser zu laufen. Wenn Anfänger nicht von Beginn an mit schweren
Schuhen laufen würden, stattdessen mehr in das Erlernen einer ökonomischen
Lauftechnik investieren würden, könnten sie auf viele passive Unterstützungen
verzichten und würden von Beginn an aktiver laufen und dadurch vielleicht viele
Verletzungen vermeiden. Die meisten könnten auf schwere, gestützte Schuhe ganz
verzichten. Dazu muss man aber aktiv werden.
Auch der Barfußtrend wäre nachhaltiger bzw. erfolgreicher
gewesen, wenn man dem Barfußlaufen eine nicht sooo große Bedeutung geschenkt
hätte und sich langsamer an die für den Körper ungewohnte Belastung
herangeführt hätte. Auch ich nütze das Barfußlaufen als Unterstützung beim Erlernen einer richtigen Lauftechnik. Denn sobald
die Laufschuhe ausgezogen sind, ist man „gezwungen“, richtig zu laufen. Die
durch und durch überzeugten Barfußläufer, die es geschafft haben, ohne Schuhe
und verletzungsfrei laufen zu können, werden es uns bestätigen können. Es ist
aber ein langer Weg, auf dem du sehr viel an deiner Lauftechnik und an den
körperlichen Voraussetzungen arbeiten musst.
So ähnlich verhält sich es momentan auch mit dem Trend der carbonunterstützen
Laufschuhen. Es hört sich vielversprechend an, wenn ein Laufschuh wissenschaftlich
erwiesen schneller macht, doch man muss den Laufschuh auch laufen KÖNNEN! Erst
wenn man eine Lauftechnik laufen kann, die diesen Rebound-Effekt unterstützt, besteht
auch die Möglichkeit, schneller zu laufen. Gutgläubige Hobbyläufer erhoffen
sich durch die Versprechen der Hersteller die eine oder andere Minute am
Marathon und werden schlussendlich nur enttäuscht, da die Schuhe nicht wirklich
schneller machen, sondern nur teuer sind und nebenbei auch nicht lange halten. Vielleicht
werden sie sich damit sogar irgendwo überlasten. Denn man braucht auch ein
gewisses Tempo, damit dieser Effekt überhaupt zur Wirkung kommt. Die Folge ist,
dass bereits die ersten Laufschuhe mit Carbonplatten „für Hobbyläufer“ entwickelt
werden, damit die Laufschuhe endlich auch die Masse an Läufern erreicht.
bei Runtasia läuft's richtig |
Deshalb lege ich in meiner Arbeit einen so großen Wert auf die Lauftechnik. Erst wenn man gelernt hat,
schnell zu laufen, die Voraussetzungen dafür geschaffen und die entsprechenden
Muskeln dafür gestärkt hat, dann wirst du nicht nur schneller laufen können,
sondern es wird sich auch dein Laufgefühl verbessern und damit werden sich auch
die Laufschuhe verändern. Du wirst mit anderen Laufschuhen laufen können und
vor allem auch wollen. Dies Laufschuhe werden langfristig auch noch einen
besseren Laufstil unterstützen.
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– du erfährst dort in den nächsten Tagen, wie sehr sich Laufschuhe und Lauftechnik
ergänzen und wie du das für dein eigenes Training nützen kannst. Außerdem
findest du dort bereits viele Videos zum Thema Lauftechnik, Krafttraining und
anderen laufspezifischen Themen.
Tipp der Woche:
In meinem neuen Buch erfährst du, wie Läufer ticken, welche Laster sie haben und wie man mit ihnen umgehen musst. Du wirst dich in vielerlei Hinsicht wiedererkennen...sofern du ein "echter Läufer" bist.
Kurze Laufgeschichten - Interessantes und Amüsantes übers Laufen
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