Sonntag, 6. September 2020

Wieso die Armhaltung für eine gute Lauftechnik so wichtig ist

Vielen denken vielleicht, dass die Armhaltung nicht direkt mit einem guten Laufstil zusammenhängt, sofern nicht gerade eine extrem abnormale Armbewegung gemacht wird. Das Wichtige ist doch der Fußaufsatz, oder? Für mich ich die Armhaltung sogar genauso wichtig wie der Fußaufsatz oder der Bewegungsablauf der Beine, denn die Arme beeinflussen die Beine direkt und können sogar einen schlechten Fersenlauf unterstützen. Glaubst du nicht? Dann musst du dir diesen Bericht ganz genau durchlesen. 

Allgemeines zur Armhaltung 

Betrachtet man gute Läufer, dann achtet man vielleicht nicht gleich auf die Armhaltung, denn die fällt meist nicht so sehr auf wie die Bewegung der Beine. Doch alle guten Läufer haben eine mehr oder weniger gleiche Armhaltung: sie sieht auf alle Fälle locker, entspannt und rund aus. Die Bewegung geht ausschließlich aus der Schulter heraus, eher ziehend nach hinten als nach vorne. Dabei ist es nicht wichtig, ob die Arme nahe am Körper schwingen oder ob die Ellenbogen etwas abgespreizt sind. So wie beim Bewegungsablauf der Beine sieht man auch bei den Armen keine unnötige Anspannung. Eine gute Lauftechnik eines Langstreckenläufers erkennt man an der entspannten, aber doch dynamischen Körperhaltung. 

Handhaltung 

Die Haltung der Hände spielt bei einer ökonomischen Bewegung nur eine untergeordnete Rolle. Es ist quasi egal, ob die Hände offen oder locker zu einer Faust geballt sind, Hauptsache, sie ist nicht verspannt. Sobald ich versuche, eine Spannung in den Händen aufzubauen (sowohl gebeugt zu einer Faust als auch mit ausgestreckten Fingern), muss ich in den Armen und im Oberkörper unnötig Muskeln anspannen, was nicht nur mehr Energie kostet, sondern diese Spannung kann sich auch in den Nacken fortplatzen. Das ist dann nach dem Laufen mit verspannter Nackenmuskulatur, oder sogar bis in den Rücken hinein zu spüren. Achte nur darauf, dass die Hände entspannt bleiben. 



Der Winkel im Ellenbogen 

Schaut man sich den Winkel im Ellenbogengelenk an, so sieht man, dass sich dieser Winkel während der gesamten Laufbewegung nahezu nicht ändert. Er bleibt sowohl beim Zug nach hinten als auch nach vorne ständig gleich, nämlich spitz! Alle guten Läufer halten ihre Arme immer unter 90°, meist sogar deutlich darunter. 

Der Winkel kann auch nur konstant gehalten werden, wenn die Bewegung nach hinten geht. Zieht man nämlich nach vorne, dann wird der Winkel im Ellenbogengelenk etwas größer, weil man zu greifen beginnt. Dadurch macht es den Anschein, als ob man „boxt“ oder „wie eine Lokomotive“ läuft. 

Diagonale Kopplung der Arme mit den Beinen 

Um zu verstehen, wieso es so wichtig ist, die Arme ständig abgewinkelt zu haben, muss ich etwas ausholen. Es ist nämlich wichtig zu wissen, dass die Arme und die Beine gekoppelt sind. Wenn das rechte Bein vorne ist, dann ist immer auch diagonal der linke Arm vorne. Immer! Diese Kopplung kann man nicht lösen. Du kannst dadurch sogar deine Schrittfrequenz mit den Armen steuern: versuche, beim Laufen deine Arme schneller zu bewegen, dann werden dir die Beine sofort folgen. 

Laufen ist einfach ausgedrückt, ein Springen von einem Bein zum anderen. Und weil wir beim Laufen immer nur maximal einen Fuß am Boden haben (das ist übrigens der Unterschied zum Gehen), müssen wir bei jedem Schritt in dieser Phase des „dynamischen Einbeinstands“ den Körperschwerpunkt über die Fläche des Fußes bringen. Ist der Körperschwerpunkt beim Einbeinstand nämlich außerhalb der Fußfläche, würden wir umfallen. Und da kommt diese diagonale Kopplung der Arme mit den Beinen zur Wirkung: wenn ich den gegenüberliegenden Arm nach vorne ziehe, geht auch der Körperschwerpunkt etwas weiter in Richtung Standbein. Das passiert innerhalb weniger Hundertstel einer Sekunde und wird bewusst nicht wirklich wahrgenommen. Du kannst es aber gerne einmal ausprobieren und im „Passgang“ zu laufen, also beim Fußaufsatz des rechten Beines den rechten Arm vorziehen. Du wirst bemerken, dass es nicht funktioniert bzw. dass man während des Laufens regelrecht umfallen würde. 

Nehmen wir nun ein Extrem an und strecken die Arme beim Laufen vollständig aus, dann wird das Schwingen der Arme relativ anstrengend. Man muss viel Energie aufwenden, um den Arm zu bewegen, und noch viel mehr Energie, um die Arme schnell zu bewegen. Ein ausgestreckter Arm ist ziemlich träge, denn der Schwerpunkt liegt sehr weit vom Drehpunkt (Schulter) entfernt. Die ausgestreckten Arme bewirken einen langen Hebel. Auch das kannst du gerne selbst im Stehen ausprobieren, indem du versuchst, deine ausgestreckten Arme so schnell wie möglich vor und zurück zu schwingen. Nach wenigen Schwüngen wirst du ein Kribbeln in den Fingern spüren, das vom angestauten Blut kommt, das durch die Fliehkraft nur schwer zum Körper zurückgeführt wird. Winkelst du die Arme hingegen sehr spitz ab, dann wird dieser Hebel sehr kurz und eine deutlich schnellere Bewegungsfrequenz ist möglich, ohne dass sich eine Trägheit bemerkbar macht. Dieser Trägheitseffekt ist gut mit einem Metronom zu vergleichen: verschiebt man das Gewicht an den äußeren Rand, dann wird der Taktgeber eine sehr niedrige Frequenz haben, da der Schwerpunkt weit vom Drehpunkt entfernt ist. Ist das Gewicht jedoch sehr nahe am Drehpunkt, wird das Metronom einen sehr schnellen Takt vorgeben. 



Die richtige Armhaltung beim Laufen 

Mit diesem Wissen und mit der Tatsache, dass beim Laufen die Arme mit den Beinen gekoppelt sind, können wir nun leichter die Wichtigkeit der abgewinkelten Armhaltung verstehen. Denn wenn ich mit ausgestreckten Armen schnell laufen möchte, dann kann ich keine schnellen Schritte machen, sondern nur große Schritte. Die Trägheit der Arme zwingt meine Beine, größere Schritte zu machen, da die Bewegungsfrequenz nur schwer zu erhöhen ist. Das gleiche gilt übrigens auch umgekehrt: wenn ich die Beine nicht hebe, also das mehr oder weniger gestreckte Bein vorziehen muss, habe ich auch bei den Beinen einen langen Hebel, den ich mit viel Energieaufwand beschleunigen muss. 

Diese Trägheit bewirkt, dass ich, wenn ich schnell laufen möchte, beinahe ausschließlich über die Schrittlänge Tempo machen kann, da mir die Erhöhung der Schrittfrequenz erschwert wird. Ich kann dennoch schnell laufen, doch ich brauche für große Schritte deutlich mehr Energie als mit kleinen Schritten. Und das gleich aus zweierlei Gründen:
  • mit einem größeren Schritt brauche ich vor allem mehr Kraft, sowohl um mich abzustoßen, als auch beim Abfangen beim Aufprall
  • zusätzlich werde ich mit einem größeren Schritt noch weiter vor meinem Körperschwerpunkt, wahrscheinlich auch noch mehr auf der Ferse aufkommen, was den Impact beim Aufprall erhöht und wiederum mehr Energie kostet 

Und klar ist auch, dass ein erhöhter Kraftaufwand bei einer Ausdauerbelastung bewirkt, dass uns beim Laufen irgendwann „die Kraft ausgeht“. Weil Arme und Beine unzertrennlich gekoppelt sind, ist das Limit der Bewegungsfrequenz die Trägheit der Arme UND/ODER der Beine. 

Das Läuferdreieck 

Wir müssen nun die Ellenbogen nicht extrem spitz halten, als Maß für eine gute Armhaltung gilt der Begriff es „Läuferdreiecks“: Wenn man einen Läufer von der Seite ansieht, dann sollte der Winkel im Ellenbogengelenk immer unter 90° sein und wenn der Arm hinten ist, sollte man mit dem Ellenbogen und dem Oberkörper ein Dreieck sehen. Ist dieses Dreieck offen, oder geht der Winkel über 90° auf, dann läuft man Gefahr, unnötig Energie zu verschwenden. Und deshalb ist es auch nicht so relevant, ob die Ellenbogen nahe am Oberkörper sind oder nicht, denn in beiden Varianten ist mit abgewinkelten Ellenbogen eine schnelle Bewegungsfrequenz möglich. 

Dieses Läuferdreieck ist immer wichtig. Egal wie schnell man läuft. Auch wenn die Armhaltung beim langsamen Laufen weniger Bedeutung hat, man konditioniert diese Armhaltung und sie ist stabil. Wenn ich es mir von Beginn an angewöhne, die Arme spitz zu halten, dann werde ich nie in die Verlegenheit kommen, mich beim Laufen mit den Armen zu bremsen. Denn abgewinkelte Arme kosten keine Energie, sie sind nur eine Gewohnheitssache. Sobald du schneller laufen möchtest, wirst du dankbar sein, dass du dich nicht auch noch auf die Armhaltung konzentrieren musst.

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In meinem neuen Buch erfährst du, wie Läufer ticken, welche Laster sie haben und wie man mit ihnen umgehen musst. Du wirst dich in vielerlei Hinsicht wiedererkennen...sofern du ein "echter Läufer" bist.

3 Kommentare:

  1. Lieber Walter,

    ein sehr guter und wahrer Artikel. Durch Dich wurde ich damals auf meine Armhaltung überhaupt aufmerksam. Du hast mich die richtige gelehrt, war ich doch eine ganz spezielle Kandidatin :-)

    auch heute noch achte ich stets drauf. als ewige aber tapfere wiedereinsteigerin trainiere ich auch immer die richtige armhaltung..

    liebe grüsse aus der ferne, eva

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    1. Super! Freut mich, dass du nach all dieser Zeit noch immer an die Armhaltung denkst ;-) Es läuft also bei dir?

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