Prägung des Laufstils über Jahre
Als Einstieg in das eigentliche Techniktraining muss ich
noch einmal erwähnen, dass man sich viel, vieeeel leichter mit dem Erlernen
einer ordentlichen Lauftechnik tut, wenn das Lauftechniktraining bereits von
Beginn an ein Thema ist. Gerade Laufanfänger sollten sich erst mit der
Lauftechnik befassen und sich erst im zweiten Schritt Gedanken über Pulsuhr,
Leistungsdiagnostik oder den richtigen Schuhen machen. Denn je länger du
bereits läufst, desto stabiler wird dein bestehender Laufstil. Dieser Laufstil
hat sich für dich persönlich bewährt, auch wenn nicht jede einzelne Bewegung
vollkommen ökonomisch ist. Der Körper hat gelernt, damit umzugehen. Durch die
vielen Kilometer, die du bereits gelaufen bist, wurde dieser Laufstil immer
mehr geprägt und stabilisiert. Das ist dein momentan „bester Laufstil“ und
jeder andere Bewegungsablauf wäre falsch. Zumindest gefühlt falsch. Jedem ist
bekannt, dass ein so gut eingelaufenes System nur mehr schwer zu ändern ist. Es
funktioniert, ja, aber man muss sich deutlich mehr bemühen, als wenn man es
gleich von Beginn an gemacht hätte.
allgemeine Empfehlung fürs Training
Natürlich musst du das Lauftechniktraining auch sinnvoll in deinen Trainingsplan integrieren. Es bringt nicht viel, wenn du ein paar Wochen vor deinem Hauptwettkampf mit einem hochintensiven Techniktraining startest. Im Gegenteil, du wirst dich dadurch vielleicht sogar verletzen. Plane das Lauftechniktraining deshalb sehr früh in deiner Wettkampfvorbereitung ein. Der beste Zeitpunkt wäre kurz nach dem letzten Hauptwettkampf. In der Zeit steht generell Grundlagentraining und Aufbau und Stärkung der physiologischen Voraussetzungen am Plan.
Doch Vorsicht beim Techniktraining. Sowohl Anfänger als auch
fortgeschrittene Läufer sind meist nicht auf derartige Belastungen vorbereitet.
Der Anfänger nicht, weil er wahrscheinlich generell noch wenig Bewegung gemacht
hat und der Fortgeschrittene nicht, weil seine Muskulatur wahrscheinlich noch
keine hochintensiven Bewegungen gemacht hat. Er ist ja meistens „nur gelaufen“
und das mit einem Laufstil, für den die Muskeln perfekt ökonomisiert wurden. Werden
nun andere Muskeln aktiviert, können die sehr bald überfordert werden. Aber auch
die Sehnen werden etwas anders als gewohnt, aber vor allem auch höher belastet.
Wenn du bereits latente Achillessehnenprobleme hast, dann werden diese bald
schmerzhaft zutage kommen.
Deshalb solltest du an das Lauftechniktraining langsam und
geduldig herangehen. Weniger ist mehr in dieser Zeit. Gib deinem Körper die
Chance, dass er sich auf diese Reize anpassen kann, damit er langfristig besser
wird. Übertreibst du damit, wirst du mit Schmerzen bestraft werden. Das gilt
nicht nur für das Techniktraining allein, sondern auch für das restliche Training.
Versuche nicht bei deinen herkömmlichen Trainingseinheiten (die in dieser
allgemeinen Vorbereitungszeit meist langsamer sein werden) anders zu laufen. Damit
werden Muskeln und Sehnen noch mehr belastet und die Gefahr steigt wiederum,
dass du dich verletzt. Es ist natürlich verlockend, wenn man gelernt hat, gut
zu laufen und das dann auch versucht, im normalen Training umzusetzen. Dieser
Laufstil fühlt sich nicht nur richtig, sondern auch schnell an. Deine Muskeln sind
noch nicht soweit, lass dir Zeit. Außerdem wird das in der Praxis auch nicht
funktionieren. Dein Körper wird sich seinen besseren Laufstil selbst finden,
wenn du ihm die nötige Zeit gibst. Sei geduldig!
Das Lauftechniktraining in der Praxis
Von nun an beginnst du ja bereits mit den Übungen derLaufschule. Das Lauf-ABC muss regelmäßig zumindest einmal pro Woche in dein Training eingebaut werden. Und zwar während des ganzen Jahres. Der wöchentliche Besuch in der Laufschule gehört ab jetzt zu deinem Lauftraining wie das tägliche Zähneputzen. Die Übungen dauern auch nur ein paar Minuten, die du mit Sicherheit frei machen kannst. Du musst nur daran denken und motiviert sein, sie auch dementsprechend umzusetzen.
Zusätzlich zur Laufschule beginnst du mit einem speziellen Trainingsschwerpunkt
„Lauftechniktraining“, der gerne ein paar Monate dauern kann. Wie erwähnt, in
der allgemeinen Vorbereitungszeit, wenn der Wettkampf noch weit entfernt ist. Je
mehr Zeit du dir dafür einplanst, umso mehr Möglichkeiten hast du, an der
Lauftechnik zu arbeiten. Auch dein Körper sollte damit mehr Zeit haben, sich an
die neuen Reize anzupassen.
Tempo beim Lauftechniktraining
Denn das Lauftechniktraining soll schnell sein. Nur wenn du schnell läufst, musst du schön laufen. Darfst du schön laufen. Wenn Kipchoge oder Cheptegei langsam laufen, werden sie auch nicht mehr so perfekt laufen, sie müssen es auch nicht. Langsames Laufen erfordert weniger Stabilität und es ist nicht nötig, die gesamte Energie in die Vorwärtsbewegung zu stecken. Der Körper wird mit dem langsamen Laufen „toleranter“. Wenn du versuchst, beim langsamen Laufen eine gute Lauftechnik zu erlernen, dann wirst du womöglich ganz falsche Bewegungsmuster einlernen.
Jeder kann schnell laufen. Die meisten von uns werden jedoch
nicht einmal auf eine kurze Distanz annähernd so schnell laufen wie unsere
Spitzenathleten. Du wirst aber deutlich schneller laufen als im normalen
Training. Und das reicht aus, um mit einer besseren Lauftechnik zu laufen. Doch
schnell bedeutet immer, dass man nicht weit laufen kann. Deshalb ist beim
Lauftechniktraining das Intervalltraining die Trainingsmethode der Wahl.
"lauftechnisches" Intervalltraining
Die Herangehensweise an ein lauftechnisches Intervalltraining ist etwas anderes, wie du es vielleicht von einemIntervalltraining gewohnt bist. Beim Techniktraining zählt nicht die (Aus)Belastung, sondern die Ausführung. Es ist nicht die Zeit entscheidend, sondern die Haltungsnote. Natürlich wollen wir bei diesen Intervallen schnell laufen, damit man die Lauftechnik umsetzen kann. Wenn du Intervalle mit nur 100 Metern läufst, dann wirst du sehr schnell laufen können. Du darfst die Intervalle aber nicht als eine Herausforderung ansehen und versuchen, bei jedem Intervall das Maximum rauszuholen. 90% reichen aus. Du musst dich während der gesamten Belastung auf die Lauftechnik konzentrieren können. Du brauchst bei jedem Intervall noch etwas Luft nach oben, damit du eben nicht ganz an deine Grenzen stößt. Denn wenn du 100% gibst, dann kannst du dich nicht mehr auf die Lauftechnik konzentrieren, geschweige denn bewusst daran zu arbeiten. Du wirst wahrscheinlich sogar wieder in dein altes Bewegungsmuster zurückfallen. Denn momentan kann dein Körper nur mit dem gewohnten Laufstil schnell laufen. Dieser Laufstil wird vorerst noch dominanter sein und wenn es einmal darauf ankommt, dann wird sich der altbewährte Laufstil durchsetzen. Noch, denn von Mal zu Mal wird dein Körper dazulernen.
Aus den schon erwähnten Sicherheitsgründen sollte dieses
Training behutsam eingesetzt und gesteigert werden. Wenn man annimmt, dass du
ein lauftechnisches Intervalltraining mit zum Beispiel 10x 100m machst, dann
bist du insgesamt eigentlich nur einen Kilometer gelaufen. Dieser Kilometer ist
keineswegs eine Belastung für den Kreislauf, für die Muskulatur hingegen eine
sehr hohe. Auch wenn du sehr schnell läufst, du bleibst nach wenigen Sekunden
auch schon wieder stehen. Auch die Pause zwischen den Belastungen ist lange
genug, damit dein Kreislauf wieder fit für den nächsten 100er ist. Dennoch bist
du diese Geschwindigkeit nicht gewohnt. Die Muskulatur muss auf Höchstleistung
laufen. Das kann sie meistens auch sehr gut und lange. Dennoch ist die
mechanische Belastung auf die Muskulatur besonders groß, sodass einzelne
Muskelfasern beginnen zu reißen. Vor allem, wenn du so hochintensive
Belastungen nicht gewohnt bist (Anfänger, Marathonläufer, …). Du wirst es am
nächsten Tag am Muskelkater erkennen. Beim Laufen selbst spürst du das meistens
noch nicht. Deshalb ist vor diesem Training ein gesunder Respekt sehr sinnvoll.
Und wenn du beim Laufen doch etwas spüren solltest, ein ziehen in den
Beinbeugern oder in der Wade, dann brich dieses Training sofort ab. Denn die
ersten punktuellen Anzeichen sind meist schon grenzwertige Situationen, kurz
vor einer Zerrung.
Aufbau einer Lauftechnikeinheit
- das beste Aufwärmen ist die Laufschule
- Starte mit (wenigen) Intervallen über 100 Meter bzw. ca. 30 Sekunden
- lass dir ausreichend, gefühlt sogar zu lange Pausen (2 bis 4 Minuten)
- du sollst vor jedem Start gut erholt sein und im Ziel nicht an deine Grenzen stoßen
- wenn du ein leichtes Ziehen in den Beinen (vor allem im Beinbeuger oder in der Wade) verspürst, dann brich die Einheit für diesen Tag ab. Sofort!
- am Ende des Trainings darfst du nicht (nie) das Gefühl haben, dass du erschöpft bist
- Auslaufen ist besonders wichtig, es soll aber keine
zusätzliche Trainingseinheit angehängt werden
langsames Übertragen auf längere Distanzen
Ein nachhaltiges Lauftechniktraining wird natürlich auch weiterhin langsam gesteigert. Im ersten Schritt erhöhst du die Anzahl der Intervalle, verkürze dabei aber nicht die Pausendauer. Die sind und bleiben sehr wichtig. Wenn du vorsichtshalber mit nur 6x 100m startest und langsam jede Woche um zwei Intervalle steigerst, dann wirst du in einem Monat die erwähnten 10x 100m gut laufen können. Und das ohne Gefahr, dich zu verletzen. Gerne kannst du die Anzahl noch weiter auf bis zu 20x 100m erhöhen. Solange du dich bis zum Schluss auf die Lauftechnik konzentrieren kannst und die Muskulatur fit bleibt. Denn die mehrmals erwähnten Warnungen gelten immer im Techniktraining.
Wenn du dich an die sehr kurzen Distanzen gut angepasst hast, dann kannst du zum nächsten Schritt gehen und die Intervalle verlängern. Natürlich auch wieder sehr zurückhaltend. Reduziere die Anzahl der Intervalle wieder und steigere die Distanz auf zum Beispiel 200m. Diese Verdopplung scheint nicht viel zu sein, das Tempo wird aber deutlich langsamer sein (müssen). Mit 200 Metern kommen wir schon in einem Bereich, in dem der Stoffwechsel deutlich mehr zu tun hat. Spätestens bei 400m-Läufen wirst du das selbst bemerken. Du musst deshalb dein Tempo anpassen, aber dennoch versuchen, den Laufstil so gut es geht umzusetzen. Wir haben ja gehört, dass es schwierig ist, beim langsamen Laufen eine gute Lauftechnik zu haben. Dennoch sollte sich dein Laufstil leichtfüßig, ziehend von vorne nach hinten, locker, leicht und vor allem auch schnell anfühlen. Denn nur dann bremst du dich nicht und läufst ökonomisch.
Irgendwann, spätestens wenn die Intervalle über 500 Meter lang werden, sollte sich ein natürlicher Laufstil einpendeln. Zu Beginn wirst du aber merken, dass du die Lauftechnik nicht auf die gesamte Distanz durchhalten kannst, und kippst noch immer in alte Bewegungsmuster zurück. Ähnlich wird es dir bei Wettkämpfen ergehen: eine Zeit lang wirst du leichtfüßig dein Tempo laufen und dann bricht der Laufstil ein. Du wirst das Tempo noch immer halten können, aber es wird dir deutlich schwerer fallen. Dir wird es von nun an sofort auffallen, wenn du falsch läufst und du wirst versuchen, das zu ändern. Denn das alte System, auch wenn es noch immer präsent ist, wird sich falsch anfühlen. Du wirst dich sehr oft noch darüber ärgern, dass du nicht länger mit einer guten Lauftechnik laufen kannst, aber du wirst dranbleiben und von Mal zu Mal wird sich die Distanz um ein paar Meter verlängern.
Dieser beschriebene (mein) Zugang zum Lauftechniktraining,
der auf Intervalltraining von sehr kurzen zu langen Strecken aufgebaut ist,
fördert übrigens auch den Einstieg in ein Läuferleben. Zu Beginn ist es sowieso
nicht sinnvoll, lange Strecken anzupeilen, sondern die Trainingsmethode der
Wahl für Laufanfänger ist und bleibt das Intervalltraining. Ein derartiges
Lauftechniktraining dauert meist nur 30 bis 40 Minuten (inklusive Auf- und
Abwärmen), die wertvoll für die Prägung einer nachhaltig guten Lauftechnik sind.
Auch fortgeschrittene Läufer sollen keine Angst vor so kurzen Einheiten haben,
sie sind in den Beinen und langsam wird sich die Lauftechnik verbessern.
Garantiert.
Wenn's einmal ein Marathon werden sollte, dann musst du diesen Leitfaden gelesen haben. Dann kommst du sicher und verletzungsfrei ins Ziel und verlierst auf dem Weg dorthin nie den Spaß am Laufen
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